ORSBECK-LUCHTENBERG 

Die Dorfgemeinschaft Orsbeck-Luchtenberg und die Pfarre St. Martin Orsbeck haben eine spannende und mitreißende Geschichte. Quer durch die Jahrhunderte zieht sich dieser Faden und mit dem uralten Bollwerk unserer Pfarrkirche blicken wir in Orsbeck noch heute auf eine weit über 1000 Jahre alte Vergangenheit.

 

 

Die Kirche St. Martin Orsbeck

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Wir können heute von Glück sagen, das alle Kriege der Vergangenheit unsere Kirche weitestgehend verschonten und sie auch in der Vergangenheit keinem modernern Modebau weichen musste. Somit befindet sich heute das vermutlich „älteste Bauwerk, aber auch die älteste christliche Kultstätte des gesamten Heinsberger und Wassenberger Landes“ - und vermutlich auch weit darüber hinaus - in unserem kleinen Dorf Orsbeck.

  
  

Peter Anton Tholen (Landesmuseum Bonn) hat sich im Jahre 1936 intensiv mit der Orsbecker Kirche befasst. Er kam dabei zu der Erkenntnis, dass unserer Kirche, obwohl wir darüber keine frühen Urkunden besitzen, eine der ältesten Kirchen unserer näheren und weiteren Heimat ist. Entgegen anderer Forscher, die eher ein Entstehungsdatum kurz vor oder um das Jahr 1000 vermuten, glaubt er, dass unser Pfarrsprengel bereits sehr viel früher entstand, noch vor dem Jahr 700.

 

Ein Hinweis darauf das Alter dieser christlichen Kultstätte weitaus früher anzusetzen, gibt die Tatsache, dass die fränkischen Gräberfelder, die in der Regel in der Nähe der Dörfer lagen, um das Jahr 700 herum nicht mehr belegt wurden. Nachgewiesen ist diese fränkische Begräbnisstätte im Bereich des heutigen „Viller“ (zwischen „Auf dem Weiler und Johann-Hugo-Straße- Ausgrabungen und Funde Anfang des 20. Jhd).

Die verstorbenen Christen wurden stattdessen in der unmittelbaren Umgebung des neu errichteten Gotteshauses, auf dem Kirchhof bestattet.

 

 

Das alte Mauerwerk 

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Das aufgehende Mauerwerk der ursprünglichen Schiffsmauern besteht aus einem regellosen Gemisch von zusammengesuchten
Feldsteinen, Kieseln, Grauwacken, römischen Ziegeln (Fischgrätenmuster) sowie kleineren und größeren Ortsteinbrocken. Dieser Ortstein, eine durch Eisen verkittete Sand-masse, der in der Wassenberger Gegend hier und da vorkommt, ist auch später in gotischer Zeit als heimischer Baustoff verwendet worden. Die Hinweise legen nahe, dass die Siedlungsstätten der Römer in Orsbeck durch die nachfolgenden Franken als Steinbruch zum Bau dieser Kirche genutzt wurden. Wir erhalten mit einem Blick auf das Mauerwerk somit auch einen Eindruck über die Bausubstanzen der ehemaligen römischen Hofanlagen in Orsbeck (Villa Rustica – Standorte: Pfarrwiese, Pletschmühlenstraße, „Viller“).

 

 

Der Turm

Um das 11. Jahrhundert wurde an den Ostgiebeln der ursprünglichen Orsbecker Saalkirche ein Turm angebaut, dreigeschossig und im Unterbau aus Bruchstein-Mauerwerk bestehend. Im Jahr 1868 wurde der Kirchturm, um der Gefahr des Einsturzes zu begegnen in Ermangelung anderer Restaurierungskenntnisse, mit einem dichten Zementmantel umhüllt. Die ursprünglichen Steine sind lediglich an einer freigelegten Stelle noch sichtbar. Des Weiteren verstärkte man die Mauern im Erdgeschoss durch abgeböschte Pfeiler. In der Westwand des Turmes befand sich ein heute stark entstelltes gekuppeltes Fenster aus spätgotischer Zeit. Außen am Turm ist zudem eine der ältesten Glocken der Region zu sehen (13. Jhd.), welche immer noch während der Wandlung in der hl. Messe per Hand geläutet wird.

 

Wie P.A. Tholen bei seinen Untersuchungen feststellte, befand sich auch an der Westwand des Turmes ein heute zugemauertes romanisches Rundbogenfenster. Im Oktober 1977 wurde der völlig morsche Glockenstuhll abgebrochen und an seiner Stelle ein neuer eingebaut. Die Glockenstube erhielt gleichzeitig einen Fußboden aus Stahlbeton, welche heute das Turmmuseum beherbergt. 

 

 

Die Wehrkirche 

Der Kirchturm diente nicht nur zur Verschönerung der Kirche. Er beherbergte die Glocke, die nicht nur zur Messe rief, sondern auch Nachricht an die Menschen gab, welche draußen auf den Feldern waren oder deren Gehöfte abseits vom Dorf lagen. Noch heute weiß mancher Dorfbewohner, dass das Läuten um 16 Uhr den Tod eines Anwohners bedeutete und mancher hält immer noch inne für ein kurzes Gebet. Auch bei Feuer, Überfall oder anrückenden Kriegshorden wurde die Glocke geläutet. Alle Dorfbewohner eilten herbei um zu helfen oder zu fliehen. Vom Turm aus konnte man Ausschau halten und drohende Gefahren früher erkennen. Vermutungen gehen dahin, dass bereits zu Römerzeiten an dieser Stelle ein Aussichtsturm stand, um den Rurübergang zu kontrollieren.

 

Noch heute weist der Turm an der Süd-, West- und Nordseite je drei Fenster auf. Schießschächte verjüngen sich von innen nach außen, boten Platz für die Schützen, die verzweifelt versuchten, den Feind daran zu hindern in die Kirche zu dringen, welches oftmals als einziges solides Gebäude im Dorf den Verfolgten Schutz bieten konnte.

Noch im Zweiten Weltkrieg diente der Kirchturm zur Artilleriebeobachtung. 

 

„ … da endlich am Ziele, Orsbeck, das gesuchte ist erreicht. Ein altes Kastell ist gewest vor vielen, vielen Zeiten, als die Römer hier gekämpft, von denen unser Pilgerweg noch heißt die Römerstraße. Ob hier in den Bergen und Wäldern einstens der Bär, auf Latein ursus benennet, gehaust, oder die alten Kelten Ursprung sind des namens Orsberg, aras die Burg, das kunnt selbst der alte Ohm mit dem weißen Barte, den ich am Birnbaum gesehen, nicht klärlich mir sagen …“

(Aus: Ein Sonntagnachmittag in Orsbeck, HVZ, 1917) 

 

Was ist dran an der Sage, das der Vorgänger unserer Kirche einst ein römischer Wachturm war? 

Es gibt noch heute in Orsbeck die Sage, und dies bereits über Generationen hinweg, wonach ein römischer Wachturm der Vorgänger unserer späteren fränkischen Saalkirche war. Dieser habe auf dem Platz des heutigen Kirchturmes gestanden und diente der Überwachung des nahen Rurübergangs.

 

Dies vermutete auch Wilhelm Piepers im Bereich von Pfarrwiese/Kirche:

„Durch den nördlichen Abschnitt der Wiese führte offenbar eine Kiesstraße in ost-westlicher Richtung zur Rur, auf Unterbruch zu. Eine 10 bis 20 cm starke Aufschüttung, etwa 80 cm unter der jetzigen Geländeoberfläche liegend, ist nicht geologischer Natur, da sie eine seitliche scharfe Begrenzung aufweist. Da römischer Schutt unmittelbar auf der Kiesschicht auflag, besteht die Möglichkeit, dass es sich um eine kaiserzeitliche Straße handelt, die oberhalb der jetzigen Brücke die Rur erreichte und nach Heinsberg führte. Mit Vorbehalt sei angedeutet, dass die Gebäudereste einen Wachturm oder Haus zum Schutz des Flussüberganges angehört haben.“
Indizien gibt es, aber beweisen können wir es bislang nicht, denn die dafür notwendigen Grabungen und Forschungen haben bisher leider noch nicht ausreichend stattgefunden.

 

 

Das römische und fränkische Orsbeck

Fundstätten belegen noch heute, das Orsbeck einst eine Siedlung der Römer war. Im Bereich der Pletschmühle und zwischen Johann-Hugo-Straße/Johannes-Gehlen-Straße/Grüner Weg sind solche Siedlungsflächen nachgewiesen.

 

Im Falle der alten römischen Siedlungsfläche „Viller“ (um 2. Jhd.) schloss sich in nordwestlicher Richtung, ab dem 5./6. Jahrhundert, eine fränkische Siedlung mit einem Friedhof an. Der größte Teil dieser Fläche ist mittlerweile bebaut, jedoch lassen sich auch heute noch vor allem römische Spuren vor Ort nachweisen und entdecken.

 

Im Jahr 1911 wurden aus den dort entdeckten franko-merowingischen Männergräbern eine bedeutende Anzahl an Waffen und Grabbeigaben geborgen. Man stieß dabei unter anderem auf ein kurzes und ein langes Schwert (Scramasax), eine lange Speerspitze und ein kurzes Handbeil. In den Frauengräbern entdeckte man viele verschiedenfarbige Glas- und Tonperlen, sowie weiteren Schmuck. Bekannt sind noch heute verschiedene Ringe, ein Kruzifix und eine kostbare Goldfibel. Es wurden außerdem viele franco-merowingische Krüge gefunden. Einige Fundstücke lagern heute im Landesmuseum Bonn, weitere im ehem. Heimatmuseum Heinsberg, während die gefundenen Waffen heute als verschollen gelten.

 

Die Namen der Straße „Auf dem Viller“, „Auf dem Weiler“ und „Weilerstraße“ erinnern noch heute an diese uralte römische und fränkische Siedlungsfläche, aus denen unser heutiges Orsbeck einst gewachsen ist.

Woher kommt der Name Orsbeck?

Der Klingelbach mündete bis zum Ende der 1950er Jahre im Ortskern in den Baalbach. Erst eine Flurbereinigung drückte die Bachläufe an den Ortsrand. Die Bäche sind vermutlich auch ein Hinweis auf die Entstehung des Ortsnamens. Während das „Ors“ seinen Urspung aus dem altfränkischen „hros“ (Ross = Pferd) hat, stammt das „beck“ einfach ableitbar aus dem Wort „Beck“/„Beek“ (=Bach). Eine Nutzung dieser Stelle als Posten oder Station mit Pferdetränke in fränkischer Zeit ist der Wahrscheinlichkeit nach der Namensgeber.

Das Turmmuseum

Kirche heute (c) StMarien

„Wer nicht von dreitausend Jahren, 

Sich weiß Rechenschaft zu geben,

Bleib im Dunkeln unerfahren,

Mag von Tag zu Tage leben.“    (Goethe)

  

Jedes Dorf und jeder Mensch hat seine eigene spannende Geschichte. Im Jahr 2013 haben wir in Orsbeck-Luchtenberg damit begonnen, unsere Geschichte tiefer zu recherchieren und zu sammeln. In den historischen Räumen des Kirchturms unserer Pfarrkirche dokumentieren wir seitdem in kleinen wechselnden Ausstellungen die Geschichte unserer Heimat. Damit war das TURMMUSEUM geboren. 

Neu ist hier in Orsbeck: Wir gestalten die Arbeit in unserem kleinen Heimatmuseums als Jugendarbeitsprojekt unter dem Dach unserer Pfarre, - denn Geschichte überlebt nur dann, wenn sie lebhaft weitererzählt wird. Geschichte und Jugendarbeit, das ist neu!

 

Geöffnet hat das Turmmuseum von März bis Oktober an jedem 2. Sonntag im Monat von 14-18 Uhr. Zudem trifft sich die Museumsgruppe im Rahmen der Jugendarbeit einmal im Monat zur Gruppenstunde.

 

Informationen hierzu erteilt das Pfarrbüro.

Rückblick auf die letzten Jahrhunderte:

1568-1592 Orsbeck wird mehrfach geplündert + Pestjahre (K)

1626-1650 Orsbeck wird mehrfach geplündert + Pestjahre (K)

1645 (18.Sept) Orsbeck wird schwer gebrandschatzt (K)

1659-1663 Orsbeck wird mehrfach geplündert. (K)

1673 (30. Nov) Holländische Truppen plündern die Kirche (K)

1676 (Aug-Okt) Rote-Ruhr-Epidemie in Orsbeck-Luchtenberg (K)

1687 (08. Aug) Bau der Kirchhofsmauer

1711 Die Kirche erhält einen gefliesten Boden

1753 Einbau des Tonnengewölbes in der Kirche, samt großem Umbau/Renovierung

1758 Brand des Pfarrhauses (K)

1794 (03.Okt) Französische Besatzung (bis 1814) (K)

1817 Beginn der Orsbecker Wallfahrt

1839 Erweiterungsbau des Chors, samt neuer Sakristei

1868 Betonbelag der Turmmauern, um einen Einsturz zu verhindern

1914-1918 1. Weltkrieg (1917 - 100 Jahre Orsbecker Wallfahrt)

1933 Anbau der beiden heutigen Seitenschiffe

1939-1945 2. Weltkrieg (Schwere Schäden an der Kirche)

 

(K) = Ereignisse mit Kriegshintergrund